Wie können Räume so gestaltet werden, dass sich Menschen darin wohlfühlen? Interview

Portrait-vor-weiß-quer Seit 2009 befasst sich Dr. Barbara Perfahl als Wohnpsychologin mit diesem spannenden Thema. Nach langjähriger Erfahrung als leitende Beraterin und Gutachterin, machte sich die gebürtige Österreicherin in Rosengarten bei Hamburg als Wohnpsychologin selbständig; ihr Büro hat sie in der Nähe von Hamburg. Seit 2016 ist Dr. Barbara Perfahl Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Home Staging und Redesign (ÖGHR).

Nach ihrem ersten Erfolg „Ein Zuhause für die Seele. In fünf Schritten zum Wohlfühl-Zuhause“ erschien jetzt ihr zweites Buch „Glücklich zusammen wohnen. Die besten Tipps für Paare“ im Herder Verlag.

Was genau ist eigentlich eine Wohnpsychologin?

Wohnpsychologen sind ausgebildete Psychologen, die sich mit dem Thema Wohnen befassen. Das bedeutet, dass eine Psychologin der Frage nachgeht, wie die Umgebung – private Räume, Büros oder auch Arztpraxen – uns beeinflussen. Es geht also um die wechselseitige Beziehung zwischen Menschen und Räumen und die Frage, wie Räume so gestaltet werden können, dass sie zu den Menschen und ihren Bedürfnissen passen.

Sie beschreiben in Ihrem ersten Buch fünf Schritte zum Wohlfühl-Zuhause. Welche sind das?

Am Anfang steht immer die Bestandsaufnahme: Wie groß ist meine Wohnung? Wie viele Zimmer habe ich und wie werden sie genutzt? Wie ist meine Wohnung im Moment eingerichtet, wie sind die Wände gestrichen oder tapeziert? In einem nächsten Schritt kommt die Bewertung: Was finde ich gut an meiner Wohnung und was gefällt mir nicht so sehr? In welchen Räumen fühle ich mich besonders wohl, welche werden kaum genutzt und wie haben sich meine Wohnbedürfnisse im Laufe des Lebens verändert. Danach ist es wichtig, sich die eigenen Wohnideale bewusst machen. Am besten gelingt dies über die Reflexion der persönliche Wohngeschichte: wie habe ich als Kind gewohnt, wie habe ich als junger Mensch mein Zimmer eingerichtet, wie sah die erste eigene Wohnung aus und was ist mir heute wichtig? Durch dieses systematische Vorgehen lässt sich gut eine Art roter Faden in der individuellen Wohngeschichte finden. Darauf aufbauend ist es wichtig, die individuellen Wohnbedürfnisse genau zu analysieren, um herauszufinden, was ein Mensch ganz konkret braucht, um sich in seiner Wohnung wohl zu fühlen. Erst jetzt folgen in einem fünften und letzten Schritt konkrete Einrichtungstipps für das eigene Wohlfühlzuhause.

Wohlfühl-Zuhause

Wir gehen dabei von sechs unterschiedlichen Wohnbedürfnissen aus:

  • Sicherheit – Entwicklungsgeschichtlich gesehen verbinden wir mit einer Wohnung auch heute noch eine Art „sichere Höhle“, die uns Schutz und körperliche Unversehrtheit bietet. Wie hoch das eigene Sicherheitsbedürfnis ist, lässt sich mit dieser Frage leicht beantworten: „Können Sie sich vorstellen, bei offener Tür zu schlafen?“. Manche Menschen reicht es, wenn die Wohnungstür abgeschlossen ist. Andere fühlen sich nur mit einem Sicherheitsschloss gut geschützt. Ich kenne auch Menschen, die nur gut schlafen können, wenn auch die Schlafzimmertür geschlossen ist.
  • Rückzug – Ob ich mich in einer Wohnung wohl fühle, hängt sehr davon ab, ob es Rückzugsräume gibt, in denen man Ruhe und Kraft schöpfen kann. Bei Kleinkindern ist es für Eltern noch wichtig, die Kinder immer im Blick zu haben. Aber mit dem Älterwerden ändert sich das natürlich. Sowohl bei Eltern als auch bei Kindern wächst das Bedürfnis nach einem Raum, in den man sich zurückziehen, um zu spielen oder auszuruhen.
  • Kommunikation und Gemeinschaft – Eine Wohnung lässt sich auch als eine Art Kommunikationszentrale verstehen, in der man die Geselligkeit mit der Familie erleben, Freunde empfangen, vertrauliche Gespräche führen oder Feste feiern kann.
  • Selbstdarstellung – In einer Wohnung möchte ich mich nicht nur wohl fühlen, sondern sie soll auch zeigen, wer ich bin. Für manche Menschen wird die Wohnung zu einer Art Visitenkarte. Sie soll repräsentativ sein und den eigenen Stil spiegeln: angefangen vom Interior Design über die individuelle Außenfassade bis hin zu einem kunstvoll angelegten Garten.
  • Gestalten der Umwelt und Ästhetik – Jeder Mensch hat das Bedürfnis, seine engste Umgeben selbst zu gestalten, wobei vor allem bei Frauen dieses Bedürfnis häufig sehr stark ausgeprägt ist und das Einrichten einer neuen Wohnung oder eines Eigenheims als kreativer Prozess geplant und umgesetzt wird. Auch unsere ästhetischen Grundbedürfnisse können sehr unterschiedlich sein.

Wie können Eltern die Wohnbedürfnisse von Kindern erfüllen?

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Kinderzimmer dann gut gestaltet sind, wenn sie drei Hauptfunktionen erfüllen: Ruhe und Schlafen, Spielen und natürlich Lernen und Hausaufgaben machen. Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach den Reizen, denen Kinder ausgesetzt sind. Viele Kinderzimmer sind heute durch Spielzeug, Möbel und Accessoires so reizüberflutet, dass es Kindern schwer fällt, zur Ruhe zu kommen und sich zu konzentrieren. Andererseits kann aber auch der aktuelle Trend zur monochromen schwarz-weiß-Gestaltung zu einer Reizarmut führen, die die Kreativität und Gestaltungsfreude mindert. Das hängt natürlich auch immer mit dem Alter zusammen: Säuglinge brauchen Farben, damit sich ihre Nähe-Distanz-Wahrnehmung besser ausbilden kann. Schulkinder dagegen brauchen getrennte Bereiche, in denen sie kreativ sein oder sich konzentrieren können.

Wohnbedürfnisse von Kindern

Gibt es typische Konflikte bei der Wohnraumgestaltung?

Ein klassischer Wohnkonflikt entsteht häufig bei der Aufteilung der Wohnräume: Wer beansprucht welchen Bereich in der Wohnung? Für Eltern mit kleinen Kindern ist es zunächst wichtig, die Kinder immer im Blick zu haben. Das ändert sich mit der Zeit und der Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten wird auf beiden Seiten stärker. Mit der Zeit müssen Eltern lernen, den Kinderbereich zu respektieren und Kinder müssen lernen, dass auch Eltern einen eigenen Rückzugsort brauchen. Auch die Gestaltung von Kinderzimmern führt häufig zu Konflikten. Mein Tipp: Bei jüngeren Kindern sollten Eltern auf jeden Fall über die Grundstruktur des Zimmers und die Grundzüge der Gestaltung (z.B. Farbkonzept) entscheiden und in Details die Gestaltung dem Kind überlassen. Je älter das Kind wird, desto mehr darf es entscheiden.

Sie bieten aktuell einen Online-Einrichtungs-Kurs an?

Ja, der Kurs wird gerade aktualisiert und kann ab Juni 2018 gebucht werden. Der Online-Kurs „wohn-flow“ eignet sich für alle Interessierte, die sich mit Einrichten und Wohnraumgestaltung befassen möchten. Der Vorteil ist, dass man jederzeit mit dem Online-Kurs beginnen und ihn im eigenen Tempo durcharbeiten kann. Schritt-für-Schritt zeige ich, wie sich jeder ein Zuhause schaffen kann, in dem er sich wirklich wohlfühlt. Zwei Aspekte sind mir dabei besonders wichtig: tolle Wow-Erlebnisse und der Wohn-Flow. Mein Kurs zeigt, wie man schon mit relativ einfachen Mitteln ein Wow-Erlebnis haben kann. Ein gutes Beispiel ist die häufig vernachlässigte Deckenlampe in Flur oder Küche, die nach einem Intensivputz nicht nur wie neu glänzt, sondern auch30 Prozent mehr Helligkeit ausstrahlt. Oder auch, wenn man mit einfachen Mitteln ein Farbkonzept für den Raum findet, das Vorhandene Farben perfekt einbindet. Der Wohn-Flow stellt sich ein, wenn das Einrichten mit Hilfe meines Kurses als lustvoll erlebt wird und am Ende ein Zustand erreicht wird, in dem wirklich alles zusammen passt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Photos wurden uns freundlicherweise von Frau Perfahl zur Verfügung gestellt. Copyright bei www.die-wohnpsychologin.de